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Über das Heimat finden und ankommen

Heimat ist mein persönliches Wort des Jahres 2016. Nicht zuletzt meine Freundin Betti hat mich mit diesem Post daran erinnert, über ein Thema zu schreiben, das sich durch mein Leben zieht wie wenig andere – ich denke ich bin es mir und euch schuldig, hier neben California Dreaming und asiatischen Metropolen auch mal ganz ehrlich über die Kehrseite, das Gegenstück zum ewigen Reisen zu sprechen. Beim Gedanken an die vergangenen Jahre fällt mir immer wieder auf, wie heimatlos ich lange Zeit war, und auch ganz aktuell ist der Begriff von Heimat für mich wieder von hoher Brisanz.

Der Beruf als Flugbegleiterin bringt es mit sich, einen guten Teil des Monats aus dem Koffer zu leben. In meinem ersten Jahr, direkt nach dem Abitur, war das ein Fest, in erster Linie spannend, aufregend und ich habe es genossen. Während des Studiums war es manchmal anstrengend, weil ich zwischen Uni und Flughafen, Präsentationen und Kurzstreckentouren, Klausuren und Layovern hin und her pendelte und lernen musste, Prioritäten zu setzen und Vernunftsentscheidungen zu treffen. Aber auch großartig, weil die regelmäßigen Ausbrüche aus dem Lernalltag der größte Luxus waren und ich, während meine Kommilitonen jeden Tag zur selben Uhrzeit an den selben Tisch in der selben Universitätsbibliothek schlurften, meine Bücher mal am Strand in Miami, mal am Cafétisch in Vancouver auspacken durfte. Zu Hause wartete außer meiner WG-Familie niemand auf mich, und ich vermisste niemanden.

So wohl ich mich in Mainz fühlte, hatte ich mit dem Uniabschluss doch das Gefühl, etwas Neues wagen zu müssen, und zog nach Stuttgart. Der Spagat zwischen Agenturarbeit und Fliegen machte mich glücklich und erfüllt mich bis heute, das Leben als Koffernomade hat definitiv seine Vorteile und ich wusste und weiß immer: Auch die stressigste Phase geht vorbei, und dann hast du mal wieder eine Woche zu Hause! Mein Motto „Home is where my suitcase is“ ist absolut treffend für diesen Lebensabschnitt, und irgendwie war ich mir auch wirklich selbst genug. Und dennoch: Angekommen bin ich in Stuttgart und auch bei mir selbst in diesen Jahren nie. Was sehr viel mit dem ewigen Reisen zu tun hatte, damit, dass ich kaum ein Wochenende im Kessel verbrachte, selten mehr als drei Nächte am Stück in meinem eigenen Bett schlief, immer on the go war.

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Und ich liebte dieses Lebensgefühl, liebe es noch heute. Dennoch weiß ich im Nachhinein, dass ich damit nicht glücklich war. Und realisiere, wie sehr das im krassen Kontrast zu dem steht, was ich heute will, was mir heute gut tut. Wer mich gut kennt weiß, wie sehr ich in diesem Jahr angekommen bin. Auf allen Ebenen. Ich bin zurück nach Darmstadt gezogen, wo meine Wurzeln sind. Ich habe gelernt, was Heimat für mich bedeutet, sowohl als Ort, als auch in einer Person, konnte das zum ersten Mal richtig annehmen ohne davor wegzulaufen, und dafür bin ich unheimlich dankbar. Auch wenn das Jahr sowohl global als auch in meiner ganz privaten Sphäre mehr als turbulent, irrsinnig anstrengend und manchmal ein richtiges Arschloch war bin ich spätestens in den letzten Wochen des Jahres auf einem guten Weg wieder bei mir selbst anzukommen, und das war dringend nötig. Ich fühle mich wieder in mir selbst zu Hause, habe aber auch akzeptiert, dass Wurzeln schlagen keine schlechte Sache ist. Mich nicht einschränkt, sondern mir Kraft gibt.

Ich habe die vergangenen Wochen viel Zeit in den Wohnungen meiner Freundinnen verbracht. Ich habe es genossen, wurde inspiriert und fand es wunderschön zu sehen, wie sich ihre Persönlichkeiten in ihrem jeweiligen Zuhause widerspiegeln. Ich habe mich aufgehoben und willkommen gefühlt und wusste, ich kann so lange bleiben wie ich will. Und trotzdem freue ich mich gerade auf nichts mehr als darauf, zurück nach Hause zu kommen. Zu Hause bedeutet für mich Obstsalat und Porridge zum Frühstück, Kaffee mit zu viel Zucker auf dem Sofa vor der großen Fensterfront, warme Füße auf 63 Quadratmetern. Und während ich hier in Linas atemberaubend schöner Wohnung sitze und das leckerste Puddingteilchen und einen leckeren Kaffee vernasche sehne ich mich nach genau dem. Meinem Zuhause. Meiner Heimat.

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