Life of a Flight Attendant
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Life of a flight attendant Q&A: Über Bereitschaftsdienste, Standby & Co.

Aus aktuellem Anlass und weil mich auf meine instaStory so viele Nachfragen erreicht haben, nutze ich meine Wartezeit auf einen Anruf von unserem Crew-Einsatz mal für ein neues Life of a Flight Attendant Q&A! Ich habe nämlich gerade Standby, sprich Bereitschaftsdienst, und sitze mehr oder weniger Däumchen drehend auf gepackten Koffern.

Was bedeutet Bereitschaftsdienst, Standby oder Rufbereitschaft im Fliegerleben?

Fast jede Berufsgruppe, die im Schichtdienst arbeitet, kennt sie: Die Bereitschaftsdienste. Für krankheitsbedingte Ausfälle, Extremsituationen, Besatzungsengpässe oder andere unvorhersehbare Situationen müssen Kollegen bereitstehen, die spontan einspringen können. Das ist nicht nur im Krankenhaus oder beim Technischen Hilfswerk so, sondern auch bei jeder Airline. Beim Fliegen passieren so viele unvorhersehbare Dinge, dass man für alles gewappnet sein muss: Allein über Frankfurt sind jeden Tag um die 800 Lufthansa Flugzeuge mit 1.300 Cockpit-Crews und 4.200 Flugbegleitern und Pursern unterwegs, und deshalb sind bei uns täglich mindestens 35 Piloten und 100 Flugbegleiter auf Standby.

Es gibt dabei drei verschiedene Arten von Standby:

  • Klassischer Standby – in drei 8- bis 10-stündigen Schichten aufgeteilt warten wir mit für alle Eventualitäten gepackten Koffern, fertigem Make Up und geputzten Schuhen auf den Anruf vom Einsatz, der uns sagt, dass es los geht. Dann müssen wir innerhalb von einer Stunde am Flughafen sein – für mich aus Darmstadt gut zu packen, alle die weiter weg wohnen verbringen diese Stunden meist am Flughafen oder in einem Hotelzimmer und erledigen dort Papierkram, treffen Fliegerfreunde oder lesen.
  • Reserve – die entspanntere Variante des Standby erstreckt sich zwar über 24 Stunden (mit einer 8-stündigen Schlafenspause zu realistischen Zeiten), lässt dafür aber auch eine 12-stündige Karenzzeit zu, um zum Flughafen zu kommen.
  • Rufbereitschaft – für mich die liebste Alternative: In einem festgelegten Zeitraum am Nachmittag muss ich mich für den Einsatz bereithalten oder ihn selbst kontaktieren, um zu erfahren, welcher Flug am nächsten Tag für mich vorgesehen ist. Dann wird in Ruhe der Koffer gepackt, nochmal eine Nacht zu Hause geschlafen und am nächsten Tag geht es los!

Aktuell bin ich nun also im klassischen Standby-Modus – weswegen ich wie ein frisch verliebter Teenager mein Handy nicht aus den Augen lasse, die Lautstärke meines Klingeltons voll aufgedreht habe und trotzdem immer wieder Herzrasen kriege, wenn das iPhone auch nur wegen einer Push-Benachrichtigung aufleuchtet. Freunde, die mich anrufen, werden weggedrückt und mit whatsapp vertröstet, alle halbe Stunde checke ich die Lufthansa-App um zu sehen, welche Flüge rausgegangen sind. Anstrengend!

Und wie sieht deine Standby-Routine so aus? Was machst du den ganzen Tag?

Meine aktuelle Standby-Line sieht für die ersten beiden Tage (gestern und heute) eine Bereitschaft von 4:30 bis 14 Uhr vor. Später in dieser Line wird sich – sollte ich heute tatsächlich nicht mehr gerufen werden – diese Schicht noch einmal auf die Mittagszeit, sowie einmal auf den späten Nachmittag und den Abend verschieben. Die Frühschicht ist natürlich hart, enthält aber dafür meine Lieblingsziele und schließt andere aus, die ich nicht ganz so gerne anfliege, weswegen ich das frühe Aufstehen gerne in Kauf nehme. Bei mir sieht der Tagesablauf für solche Tage so aus:

  • Am Vorabend: Für alle Eventualitäten packen. Das ist im Sommer natürlich wesentlich angenehmer als im Winter, wo man sich sowohl auf Minustemperaturen als auch auf Bikiniwetter einstellen muss. Ich habe meist zwei Koffer offen herumliegen – einen für gemäßigtes nordeuropäisches Wetter und einen für Beach Destinations. Kulturbeutel, Sportklamotten und Wäschebeutel wandern je nach Einsatz spontan hin und her.
  • 4:15: Aufstehen! Den Kreislauf schonmal ein bisschen in Schwung bringen, abduschen (die Haare habe ich am Vorabend gewaschen) und Zähne putzen. Das allernötigste an Make Up (Foundation, Augenbrauen, Lidschatten) ins Gesicht, das Telefon laut stellen und kontrollieren, dass Koffer & Handtasche vollständig sind. Dann geht es erstmal wieder ins Bett – ich bin jetzt wach genug, dass ich den Anruf auf keinen Fall überhören würde.
  • 7:30: Zweiter Wecker. Jetzt beginnt für mich die heiße Phase. In den nächsten zwei Stunden finden die Briefings für Ziele wie IAH, LAX, SFO oder JFK statt, außerdem setzt der Berufsverkehr ein. Ich stehe also auf, schminke mich fertig, esse eine Kleinigkeit und schlüpfe provisorisch in Strumpfhose, Rock und Bluse, sodass ich bei einem Anruf keine Zeit verliere. Manche Kollegen, die noch zehn Minuten länger als ich auf der Autobahn brauchen, fahren zu dieser Zeit vorsichtshalber schon mal in Richtung Flughafen, weil sie es bei starkem Berufsverkehr sonst nicht innerhalb der uns gegebenen Stunde schaffen würden. Auch ich spiele immer wieder mit dem Gedanken, bisher ist es sich aber immer noch locker ausgegangen.

  • 11:00: Das Gröbste ist vorbei. Die meisten Langstrecken, für die ich mit meiner Lizenz gerufen werden kann, sind abgeflogen. Natürlich kann ich auch jederzeit für eine Kurzstrecke angerufen werden, weswegen ich konstant einsatzbereit bin – aber jetzt lohnt es sich, den zweiten Kaffee zu kochen.
  • 12:15: Ich werde unruhig. Zu dieser Uhrzeit wird es immer unwahrscheinlicher, gerufen zu werden – sich jetzt schon auf einen freien Nachmittag zu Hause oder im Lieblingscafé zu freuen ist aber ein fataler Fehler, denn auch jetzt kann jederzeit noch ein/e Kolleg/in auf dem Weg zum Flieger umknicken, jemand krankheitsbedingt aus einer Kurzstreckentour im Transit aussteigen müssen oder oder oder. Es bleibt also spannend! Vor allem, weil nach wie vor alles drin ist: Von einer kleinen Tagestour wie zum Beispiel nach Moskau und zurück, bis hin zu einem fünftägigen Umlauf.
  • 14:00: Feierabend! Die Uniform kommt wieder in den Schrank, das Portemonnaie zurück in die private Handtasche und ich mache mir ein Mittagessen, was sich vorher nicht gelohnt hätte. Und schaue auf den Dienstplan: Nach zwei Tagen Standby habe ich jetzt zwei Tage frei, bevor es am Sonntag mit der Mittagsschicht weitergeht. Koffer auspacken lohnt also nicht…

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