Life of a Flight Attendant
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Life of a Flight Attendant: Über zweieinhalb Jobs und die Sache mit dem Vollzeitfliegen

Ich sitze in Delhi am Hotelpool, lasse die Finger über die Tastatur meines Macbooks fliegen und schlürfe nebenbei gedankenverloren an meinem Mango Lassi. Während ich die Bilder vom letzten Anflug nach San Francisco bearbeite gehen mir die Worte des Kapitäns während dem gemeinsamen Ausflug nicht aus den Ohren: „Kannst du die ganze Reiserei denn überhaupt noch genießen, wenn du ständig durch die Kameralinse guckst?“ Er hat recht – ich verbringe viel Zeit damit, zu fotografieren, zu snappen und Momente festzuhalten, aber die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen und vollkommen ehrlich: „Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall: Ich hätte vermutlich nur halb so viel Spaß am Reisen wenn ich nicht festhalten, teilen und später erinnern würde.“

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Dass das natürlich auch bei mir nur bedingt stimmt ist mir bewusst und ich weiß genau, dass manchmal das „Abschalten“ von Kamera, Smartphone & Co das einzig richtige ist um auch den Kopf auszuschalten. Das mache ich immer wieder, allein schon, um mich nach langen Flügen zu erholen – aber freue mich umso mehr wenn ich auf meinen Flügen Kollegen treffe, die meine Leidenschaft fürs Teilen teilen. Während ich noch so darüber nachsinne und mich weiter durch Lightroom klicke beugt sich die Kollegin auf der Liege gegenüber zu mir rüber, verdreht genervt die Augen und stöhnt: „Jetzt genieß doch mal dein Layover!“ Und da bin ich auf einmal kurz sprachlos.

Recht hat nämlich auch sie: Natürlich finde ich es ätzend, während meines Delhi-Layovers nicht einmal das Hotel verlassen zu haben. Natürlich wäre ich lieber stundenlang durch die Altstadt geschlendert, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zum Taj Mahal gefahren und hätte Erinnerungen (oh, und Content) produziert, statt sie zu verarbeiten. Aber ich habe in all den Jahren zwischen zweieinhalb Jobs und einem Studium gelernt:

Prioritäten setzen ist alles.

 
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Und es liegt nicht an schlechter Prioritätensetzung, dass ich diesmal Bilder aus San Francisco bearbeitete statt neue in Delhi zu schießen, sondern an meiner Vernunft (und vielleicht an dem kurzen Layover, denn in knappe 20 Stunden genügend Schlaf, Essen, Ausruhen, Emails beantworten und auf Tour gehen zu packen ist schlichtweg unmöglich). Es ist etwas anderes: Seit Anfang Juli fliege ich für zwei Monate Vollzeit. Ich habe für die Sommermonate aufgestockt, hauptsächlich aus finanziellen Gründen.

Während ich normalerweise in meiner halben Stelle ziemlich gut den Groove zwischen zwei bis drei Flugeinsätzen im Monat, ein paar Home Office Tagen pro Woche und dem Bloggen hinkriege, muss ich jetzt besser auf mich und meine Zeit aufpassen. Und habe mir deshalb zu Beginn der heißen Phase vorgenommen, mehr Arbeit mit ins Layover zu nehmen. Nicht, weil ich keine Lust auf meine Layover hätte, sondern weil eine große Priorität in meinem Leben seit einigen Monaten bei mir Zuhause ist. Weil ich mich entscheiden muss, ob ich meine freien Tage in einer fremden Stadt oder zu Hause verbringe. Normalerweise würde die Antwort sicherlich immer „In einer fremden Stadt natürlich!“ lauten – aber normalerweise bin ich (mittlerweile) auch mehr als 9 oder 10 Tage im Monat zu Hause.

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Und so fliege ich aktuell mit erhöhter Frequenz durch die Gegend, liebe den Job kein Stück weniger als vorher und achte nach wie vor darauf, den Erholungsfaktor im Layover hoch genug zu halten um diese zwei Monate gut zu verkraften – aber setze meine Prioritäten anders als gewohnt. Das ist für mich ein Stück Work Life Balance. Und das sorgt dafür dass ich trotzdem, nach all den Jahren, immer noch wie ein kleines Mädchen staunend und fasziniert im Cockpit sitze während wir über Grönland hinweg fliegen und mir denke: Alles richtig gemacht. Auch diesmal, mit dem Laptop in Delhi.

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